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17.01.06 Eine Oase der gemischten Gefühle (Motorsport Aktuell)

Von: Marcus Lacroix

24-Stunden-Rennen Dubai: Das Duller-Team mit Stuck/Quester/Peter/Wolff gewinnt ein zwischenfallreiches Langstrecken-Debüt im Mittleren Osten.


Die Briten sind Meister im Kreieren schlauer Sprichworte. Eines der besten lautet: «To finish first, you first have to finish.» Diese Reminiszenz an Sepp Herberger («Der Ball ist rund») gilt für jede Strecke der Welt - erst recht für solche in der Wüste. Wie so oft jubelten beim ersten 24-h-Rennen des Mittleren Ostens am Ende nicht die Schnellsten, sondern die, die am wenigsten Zeit an der Box verplempert hatten.

Und der Gefahren lauerten im Dubai Autodrome viele -die barbarische Hitze (am Start am Donnerstag wurden 33 Grad Luft- und 47 Grad Asphalt-Temperatur gemessen), die Mensch und Material im wahrsten Sinne des Wortes weichkochte. Der Wüstensand, der immer wieder von auf die Piste gepustet wurde. Der Verkehr, den 66 Autos auf 5 Kilometer Asphalt verursachen. Und ein eben doch relativ schwaches Glied in der Erfolgskette - der Mensch.

Eine bestellte Pole-Position

Im Qualifying stimmte die Hackordnung noch. Zehn Minuten vor Schluss baten die Pirelli-Menschen Philipp Peter höflich, das Michelin-bereifte Duller-Schwesterauto von Karl Wendlinger nach Möglichkeit von der Pole zu pusten. Der gebürtige Wiener nickte artig und knallte den rund 420 PS starken BMW M3 drei Zehntel schneller um die Ecken als sein Landsmann.

Es folgte die Meute der dicken Porsche und BMW, die wir hier nicht aufzählen wollen, weil es für den Rennausgang keine Rolle spielt.

Denn der Problem- und Ausfallreigen begann unverzüglich. Schon in der ersten Stunde fielen mit dem BMW von Tischner/Tischner/Silber-mayr/Karlsson (zwei Reifendefekte in Folge) und dem zweiten Schubert-BMW 320i (Kollision von Uwe Nittel mit dem Sagarage-Alfa) zweiTop-10-Kandidaten zurück.

Gegen 20 Uhr standen die Tischners mit Getriebeschaden fast zwei Stunden, bevor am Morgen das ABS ausstieg. Und beim Nittel/von Saurma/ Übler/Al-Khalifa-Dreier stellten sich Crashfolgen ein - wie ein Antriebswellendefekt gegen 2 Uhr oder biestiges Handling. Dennoch ackerte man sich wieder auf P7 vor. «Das Auto», schwärmte von Saurma, «ist vom Fahrwerk her eine echte Sensation.»

Ein brandheisses Erlebnis

Ärger traf es das Topauto der Oscherslebener. Richard Gö-ransson/Thed Björk/Claudia Hürtgen/Marc Hennerici tobten mit dem in WTCC-Trimm aufgebauten Dreier in den Top 5 mit (gegen die gut 150 PS stärkeren BMW von Duller und Drexler oder die Porsche!), als Hennerici kurz vor 18 Uhr nach dem Tankstopp Feuer im Spiegel sah. «Als ich anhielt, schlugen Flammen ins Cockpit», schilderte der Mayener. «Ich geriet in Panik, weil ich das Fensternetz nicht aufbekam, und habe mir die Augenbrauen versengt.»

Die Ursache konnte vor Ort nicht eruiert werden - am plausibelsten erscheinen Unachtsamkeit beim Tanken oder ein Kurzschluss. Das Auto dürfte reparabel sein.

Der dritte Schubert-Bolide, der 120d, lief wie ein Uhrwerk. Nach einem Rollout in Oschersleben war das jüngste Kundensportgerät der Bayern (Kaufpreis: 95 000 Euro, geplante Stückzahl: 100) quasi jungfräulich in die Emirate gebracht worden. Im Training schmiss der Einser reichlich Öl, was man mit Hilfe eines modifizierten Entlüftungssystems kurierte.

Im Rennen nagelten sich Hürtgen/Hertner/Laber/Spoo-ner/Stuck jr. beherzt nach vorne. Ab Stunde 4 turnte man rotzfrech in den Top 10 herum - nicht zuletzt, weil man mit einer Spritladung 3:30 Stunden fahren konnte, die Reifen das sogar mitgemacht hätten und man nur deswegen jeweils nach 1:45 wechselte, weil mehr als zwei Stunden pro Pilot und Turn nicht erlaubt waren. So stiess man zeitweise bis auf P5 vor. Erst am Freitag gegen 10.30 Uhr muckte der kleine Diesel erstmals: Eine gebrochene Tankhalterung kostet 27 min und fünf Plätze. Was am tollen Gesamteindruck, den Gesamtrang 9 betonierte, nichts änderte. Der Dl-Klassensieg war ohnehin nie in Gefahr.

Eine Odyssee durch Dubai

Weiter im Ensemble der Frustrierten. Ein Drama spielte sich um den zu Beginn auf Platz 2 liegenden CC-Porsche 996-RS von Weiland/Weiland/ Schmidt/Slooten/Schunk ab. «Erst ging die Lichtmaschine kaputt, dann die Umlenkrolle der Wasserpumpe», klagte Jan-Erik Slooten. «Es dauerte zwei Stunden, bis wir in Dubai ein Ersatzteil aufgetrie ben hatten. Als wir merkten, dass der Wasserpumpenrie¬men nicht passt, ging die Su¬cherei von vorne los.»

Sechs Stunden dauerte die Übung. Man fuhr weiter - nur um gegen 7 Uhr am Haken zu hängen. Ein Verschalter hatte dem Motor 9500 Touren zu¬gemutet, was die Kupplung erledigte und die Angst vor einem Motor-Exitus schürte. Zunächst wollte man einpa¬cken. Doch dann brach Jetzt-erst-recht-Stimmung aus. In weiteren zwei Stunden wech¬selte man Getriebe, Kupplung und Diff und brachte den ro¬ten Elfer ins Ziel. Chapeau!

Die Lammertink- Truppe, die ohnehin weitgehend vom Speed Wolfgang Kaufmanns lebte und mit dem Molsberger während dessen Start¬turn als einziges Auto neben dem Duller-BMW überhaupt einmal in Führung lag, fiel immer wieder durch Defekte am Cup-Porsche 996 zurück. Zweimal streikte eine An¬triebswelle, einmal ein Unibalgelenk des Querlenkers.

Letzter Porsche-Pechvogel war die holländische First-Mannschaft, die ein Radträ¬ger-Tausch kurz vor Mittag den Podestplatz kostete.

Ein Getriebe mit Tücken

Auch Duller kam nicht ungeschoren davon - wobei sich das Pech bei den Klagenfurtern auf den M3 von Wendlinger/Engelhorn/Quester jr./ Fleischmann/Hoyer konzentrierte. Einem Antriebswellendefekt in Stunde 2 (Standzeit: 35 min) folgte kurz vor Mitternacht ein zweiter, der einen Getriebedefekt zur Folge hatte. «Da auf dem zweiten Auto viele Anfänger sitzen, haben wir ein sequenzielles Getriebe verbaut», so Teamchef Hermann Duller. «Doch bei dem ist die Belastung auf die Hinterachse viel größer. Weiterfahren wäre sinnlos. Im Red-Bull-Auto steckt das H-Getriebe aus dem M3 GTR - und das ist eine Bank.»

Der Dreier von Quester sr./ Peter/Wolff/Stuck lag fast von Beginn an vorne und hatte außer einem kaputten Keilriemen (praktischerweise in der In-Lap zum Routinehalt), der sieben Minuten kostete, und einer losen Schraube am Hinterachsgetriebe {5 min) keine nennenswerten Störungen. «Zum Glück hat unser Chefmechaniker Herwig Duller die fehlende Schraube sofort gefunden, lobte Quester. «Bei der Problemsuche ist der wie ein Drogenhund...»

Ein folgenschwerer Verschalter

Sorgenfreiheit konnte man dem in reiner VLN-Konfiguration fahrenden, daher etwas schwächeren, dennoch aber klar auf Podestkurs fahrenden Drexler-M3 von Schmickler/Bovensiepen/Schwister/ Gedlich/Grohs nicht nachsagen. Erst kollidierte Andy Bovensiepen in einem Turn mit zwei Überrundeten, und gegen Mitternacht war Tom Schwister beim Zurückschalten des sequenziellen Getriebes etwas zu flott. Der Überdreher stach den Motor ab.

Und das, obwohl man ohnehin niedriger drehte als die Dullers, weil man hoffte, dass die zu erwartende Hitze am Freitagmittag die Österreicher ins Verderben stürzen würde. Bemerkenswert: Schon 500/ min weniger reduzierten die 01- und Wassertemperatur um jeweils rund 10 Grad.

Ein Triumph im Schongang

Als die härtesten Rivalen des Nachts reihenweise zurückfielen, gab auch Duller an seine Kutscher die Order «Cruisen» aus. Die Routiniers taten wie geheißen und brachten den Sieg sicher heim. Hans Stuck war besonders gerührt: «Mit meinem Sohn Seite an Seite ins Ziel zu fahren, war ein besonderer Moment in meinem Leben.» Dieter Quester: «Ich war optimistisch, dass wir ein Top-Auto und eine Top-Mannschaft haben würden. Und Glück haben ja bekanntlich die Tüchtigen.» Philipp Peter freute sich besonders über die schnellste Rennrunde, «auch wenn Dieter und Hermann mich fast verhauen hätten, weil ich das Auto gequält haben soll. Dabei ging das ganz locker.»

Unter den vielen erwähnenswerten Teams, die hier einmal mehr zu kurz gekommen sind (wir legen nächste Woche was nach), ragte abermals die Maeder-Truppe heraus. Andreas Maeder/Harald Jacksties/Ralf Schmidt/Nils Bartels/Reinhold Renger fuhren den Honda S2000 schnell und fehlerlos auf den fünften Gesamtrang und schnappten so den Schubert-BMW noch den A2-Klassensieg weg.

Aber wie sagten wir doch eingangs: To finish first...

Der Mut eines Kampffliegers

Exakt um 2:46 Uhr standen die 24 Stunden von Dubai am Rande einer Katastrophe. Der Niederländer Ronald Morien im Renault Clio RS von «Match Racing» war auf Start und Ziel ausgerollt. Da keine Warnsignale gezeigt wurden (einer der wenigen wirklich gravierenden Kritikpunkte an der Veranstaltung war das trantütige Sicherheitspersonal}, hatte Moriens im Windschatten eines Gegners fahrender Landsmann Jaap van der Ende im Clio von «A en J Racing» keinerlei Chance, das stehende Fahrzeug zu sehen und krachte mit gut und gerne 140 km/h voll hinein.

Während Morien seinem bis zur Unkenntlichkeit zerknüllten Wrack alleine entstieg, kam Panik auf, da sich auslaufendes Benzin entzündet und van der Endes Clio in Brand gesetzt hatte. Zumal der Pilot offenbar bewusstlos, definitiv aber nicht imstande war, sich selber zu befreien.

Vielleicht zu seinem Glück war der Amerikaner Paul Jenkins im Sagarage-Alfa Romeo

147 JTD einer der ersten an der Unfallstelle. Mit der Routine des Ex-Kampffliegers (bis zu einer im Dienst erlittenen Handverletzung diente er auf einem Flugzeugträger der US Navy) eilte Jenkins zu Hilfe.

«Ich sah gleich, dass der Fahrer noch im Auto saß und sich nicht rührte», schilderte Jenkins. «Da es im Fußraum brannte und ich die Tür nicht aufbekam, habe ich die Seitenscheibe zerschlagen. Als ich ihn durchs Fenster rausgezogen und hingelegt hatte, wurde er wacher. Ich bat ihn, Hände und Füße zu bewegen und war sehr erleichtert, als er es tat. Äußere Verletzungen waren nicht zu erkennen, aber ich nehme an, dass er Verbrennungen an den Beinen hat.»

Der Verdacht bewahrheitete sich nicht. Im Spital musste lediglich van der Endes Unterlippe genäht werden. Morien erlitt Brandwunden ersten Grades am Nacken.

Nachdem die Bahn gereinigt worden war, erfolgte um 4:26 Uhr der Restart.

(Marcus Lacroix)